Die Mauerhunde: Eine vergessene deutsch-deutsche Erfolgsgeschichte
Als 6.000 Hunde über Nacht arbeitslos wurden
Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer. Während die Welt auf die Menschen blickte die nach Jahrzehnten der Trennung wieder zueinander fanden, gerieten etwa 6.000 vierbeinige "Grenzbeamte" fast in Vergessenheit: die Mauerhunde der DDR-Grenztruppen. Diese Hunde - hauptsächlich Deutsche Schäferhunde, aber auch Rottweiler, Doggen und Riesenschnauzer - hatten jahrelang ihren Dienst an der innerdeutschen Grenze geleistet. Sie hießen "Sandra vom Prenzlauer Berg", "Rex vom Müggelsee" oder einfach "Evi" und patrouillierten täglich acht Stunden am Grenzzaun. Mit dem Fall der Mauer wurden sie von einem Tag auf den anderen überflüssig. Ihre Zukunft war ungewiss.
Eine Rettungsaktion die ihresgleichen sucht beginnt
Im Januar 1990 trafen sich Vertreter der Nationalen Volksarmee, des DDR-Außenhandelsministeriums sowie des Beirats für Tierschutz und Tierhygiene der DDR im Ostberliner Tierheim.
Das Ziel:
Eine Lösung für die 6.000 arbeitslosen Grenzhunde finden.
Der Deutsche Tierschutzbund, der Tierschutzverein für Berlin und das Ostberliner Tierheim boten ihre Unterstützung an. Dabei ging es nicht nur um die Vermittlung - die Tierschützer verhinderten auch, dass die Hunde von Interessenten aus Korea und Spanien erworben und womöglich als Nahrung oder Pelz verwendet würden. Auch amerikanische Käufer, die die Tiere als Souvenirs versteigern wollten, wurden abgewiesen.
Was folgte, wurde zu einer der ersten großen deutsch-deutschen Kooperationen nach der Wiedervereinigung: eine gemeinsame Rettungsaktion für Tiere, die jahrzehntelang als Symbol der Teilung gedient hatten.
Was hier passiert ist war etwas Besonderes. Die Tiere wurden weder an Interessenten abgegeben welche diese aller Wahrscheinlichkeit nach entweder verspeisten oder zu Pelz verarbeiteten. Schlimmstenfalls aber auch beides. Auch Käufer welche die Hunde gewinnbringend versteigern wollten wurden abgewiesen. Da eine derartige Versteigerung zu dieser Zeit sicherlich viel Geld gebracht hätte und die potentiellen Käufer sicherlich hohe Summen zahlen wollten ist das ein sehr bemerkenswerter Umstand sich trotz alledem um funktionierende Lösungen für die Hunde zu kümmern.
4.000 Hunde finden ein neues Zuhause
Das Ergebnis kann sich sehen lassen:
Etwa 1.500 Hunde fanden in ostdeutschen Haushalten ein neues Zuhause
2.500 Tiere vermittelte der Deutsche Tierschutzbund in die Bundesrepublik Deutschland. Die ehemaligen Wachhunde wurden also zu treuen Familienbegleitern. Aus Tieren die auf Distanz und Wachsamkeit trainiert waren, wurden treue Begleiter die erstmals ein Leben in echter Geborgenheit kennenlernen durften.
Ein Happy End auf Mallorca
Eine besonders schöne Geschichte dokumentiert die Berliner Zeitung:
Im März 1990 kamen die beiden Schäferhunde Juro und Betty sowie der Riesenschnauzer Valco aus ihrem tristen Dasein ins sonnige Mallorca. Dort durften sie ihren Lebensabend in einer richtigen Familie genießen - ein Kontrast, der größer nicht hätte sein können.
Eine Geschichte, die Mut macht
Die Rettung der Mauerhunde zeigt: Auch in Zeiten großer politischer Umwälzungen vergaßen Menschen nicht die Tiere, die jahrzehntelang ihren Dienst geleistet hatten. Tierschützer aus Ost und West arbeiteten zusammen, als die Mauer gerade erst gefallen war. Diese Geschichte erinnert uns daran, dass die deutsche Einheit nicht nur eine politische Angelegenheit war - sie zeigte sich auch in der praktischen Zusammenarbeit von Menschen, die gemeinsam Verantwortung für 6.000 Hundeleben übernahmen.
Quellen
- Tierheim Berlin / Tierschutzverein für Berlin: 30 Jahre Einheit - die etwas andere Geschichte
- Berliner Zeitung (7. Oktober 2020): Die Hunde der Grenzer
- Gudog Blog: Was passierte mit den Mauerhunden nach der Wiedervereinigung
- Der Spiegel (Heft 6/1994): Marie-Luise Scherer: "Die Hundegrenze"